Irrsinnig! Düsseldorfer Energieriese Uniper SE will "nutzloses" Gaskraftwerk bauen

pixabay.com | CC0 Creative Commons
Irrsinn von Irsching: Ab 2022 drei moderne Gaskraftwerke am Netz, aber keines liefert permanent Strom.

Im bayerischen Irsching herrscht eine absurde Situation: Dort stehen zwei hochmoderne Gaskraftwerke, die eigentlich perfekt den Strom liefern könnten, wenn Wind- und Solaranlagen witterungsbedingt nicht produzieren. Doch sie sind weitgehend stillgelegt, eine neue Anlage soll gebaut werden, um genau diese Stromlücken zu stopfen.

Anfang 2019 wurden neueste Zahlen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland verkündet. So sei laut Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) der Anteil der Erneuerbaren im Jahr 2018 auf 40,3 Prozent an der gesamten Netto-Stromerzeugung angestiegen. Im Jahr 2017 seien es noch 38,2 Prozent gewesen. [1]

 

Doch diese und andere Erfolgsmeldung lassen außer Acht, dass die Verfügbarkeit und die Verteilung der erneuerbaren Energien in Deutschland nach wie vor sehr unterschiedlich sind. So profitieren vor allem die norddeutschen Bundesländer mehr davon als der Süden.

Somit kommen die Bundesregierung und mit ihr die Stromversorger und Übertragungsnetzbetreiber scheinbar nicht umhin konventionelle Kraftwerke - vor allem in Süddeutschland - in der Hinterhand zu haben, die bei wenig Sonne und schwachem Wind einspringen, um sogenannten Dunkelflauten entgegenzuwirken. [2]

Eine Dunkelflaute bei der Stromversorgung herrscht, wenn bei Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen in einem bestimmten geographischen Bereich wegen Flaute oder Schwachwind und zugleich auftretender Dunkelheit insgesamt keine oder nur wenige elektrische Energie produziert wird. Zum Überbrücken sind zum Beispiel das Vorhalten konventioneller Kraftwerke - etwa Gaskraftwerke - vorgesehen. [3]

Denn Gaskraftwerke könnten, anders als etwa in der Kohleverstromung, schnell hoch und wieder runtergefahren werden, um Versorgungslücken abzudecken. Sie wären auch zügig aus der Stromeinspeisung zurückzuziehen, um Überkapazitäten zu vermeiden. Im Jahr 2018 seien Gaskraftwerke aber nur an sieben Prozent der Stromerzeugung in Deutschland beteiligt gewesen. [4]

Tennet TSO beauftragt Uniper zum Bau des "Notfallkraftwerks"

Die Vorteile der Gaskraftwerke möchte sich die Düsseldorfer Energieversorger Uniper SE zu Nutze machen. Der Plan: Um Dunkelflauten zu vermeiden soll nun im bayrischen Irsching bei Ingolstadt ein zusätzliches Kraftwerk als eine Art Lückenfüller gebaut werden. Die Rede ist von einem "besonderen netztechnisches Betriebsmittel", welches für "besondere Notsituationen als Sicherheitspuffer in der Stromversorgung“ bereitstünde. [5]

Mit einer Leistung von 300 Megawatt ist das geplante Uniper-Gaskraftwerk eher eines der kleineren seiner Art. So gibt es auch Gaskraftwerke mit einer Leistung von bis zu 1.200 Megawatt. [6]

Die Uniper ist ein in Düsseldorf ansässiger, börsennotierter und europaweit tätiger Energieversorger. Das Unternehmen entstand im Jahr 2016 im Zuge der Umstrukturierung des Essener Energiekonzerns E.ON SE. Uniper übernahm in diesem Prozess die Energieerzeugungssparten Wasser, Kohle und Gas von E.ON. Das Unternehmen beschäftigte laut Geschäftsbericht 2017 weltweit 12.180 Mitarbeiter und verzeichnete einen Umsatz von 72 Milliarden Euro. Aktueller Vorstandvorsitzender ist Klaus Schäfer. [7]

Die Uniper sei laut eigener Verlautbarung als Sieger aus einer Auktion des Übertragungsnetzbetreibers Tennet TSO GmbH (Tennet) hervorgegangen und habe den Zuschlag für den Bau und Betrieb erhalten. [8]

Sowohl Uniper als auch Tennet schweigen sich über die Baukosten aus. Für Tennet als Auftraggeber sollten die Investitionen kein Problem sein. Denn der Übertragungsnetzbetreiber könne die Kosten via Netzentgelte auf die Verbraucher abwälzen. [5]

Entwicklung der Börsenstrompreise seit 2007.iwr-institut.de [7]

Ökostromförderung macht Betrieb vorhandener Gaskraftwerke bislang unprofitabel

Seit dem Jahr 2010 hatte Uniper am gleichen Standort zwei topmoderne Gaskraftwerke an das Netz gebracht. Doch der Betrieb lohnte sich scheinbar wirtschaftlich nicht. So sollen die erneuerbaren Energien auf die Börsenpreise gedrückte haben. Wenn die Erneuerbaren viel Strom produzieren und in das Netz einspeisen, können fossile Kraftwerke nicht entsprechend flexibel heruntergeregelt werden. Dann produzieren sie ein Überangebot - und der Preis an der Börse stürzt ab. Ein rentabler Betrieb sei deshalb für die beiden Gaskraftwerke in Irsching seit Inbetriebnahme nicht möglich gewesen. [5] So sank der der Börsenstrompreis von rund 4,5 Cent im Januar 2010 auf 2,7 Cent zu Jahresbeginn 2016. [9]

Statt einer kompletten Stilllegung der zwei Gaskraftwerke, verlange die deutsche Bundesnetzagentur (BNetzA) aber, dass die beiden Kraftwerke in der sogenannten Netzreserve gehalten werden. Um besagter Dunkelflauten entgegenzuwirken. [10]

Die Netzreserve kommt zum Zug, wenn die vorhandenen Übertragungsnetze nicht ausreichen, um den gesamten produzierbaren Strom vom Norden in den Süden zu transportieren. Dann werden im Norden Windkrafträder abgeschaltet und/oder Kraftwerke heruntergefahren. Im Süden wiederum werden dann Kraftwerke hochgefahren. [11]

Eine Netzreserve für die Netzreserve zu Lasten der Verbraucher

Obwohl also die beiden Gaskraftwerke nach wie vor kaum in das deutsche Stromnetz einspeisen und als Netzreserve vorgesehen seien, plane Uniper nun ausgerechnet am selben Standort noch ein drittes Gaskraftwerk als Neubau.

Josef Hasler, Vorstand des Nürnberger Versorgers N-Ergie (der Versorger ist mit 25 Prozent an den beiden bestehenden Gaskraftwerken beteiligt), verweist darauf, dass bereits die beiden älteren Kraftwerke der Netzstabilität dienen würden. Es wäre nach Aussagen von Hasler sogar so, dass das neu geplante Kraftwerk erst als letztes bei der Energiereserve zum Zug käme. Es könnte somit die absurde Situation entstehen, so Hasler weiter, dass das neue Kraftwerk nie zum Einsatz käme.

Der große Unterschied ist jedoch, dass das neue Kraftwerk "voll entschädigt" werde. Leidtragende der verfehlten Energiepolitik seien letztlich die Verbraucher, die mit steigenden Netzentgelten belastet würden, so Hasler.

In Irsching werden jedenfalls in wenigen Jahren drei moderne Gaskraftwerke stehen, die nur selten im Einsatz sind und die Verbraucher werden es bezahlen müssen, gibt der N-Ergie-Chef zu bedenken. Zur Akzeptanz der Energiewende trüge dies bestimmt nicht bei. [12]

Einzelnachweise

[1] 40 Prozent des deutschen Stroms waren 2018 öko, von Claus Hecking, auf: Spiegel Online (spiegel.de) vom 02. Januar 2019. Abruf am 14. Januar 2019.

[2] Warum die Energiewende kaum voran geht, von Michael Wegmer, auf: Südwestdeutscher Rundfunk (swr.de) vom 20. September 2018. Abruf am 14. Januar 2019.

[3] Was ist die Dunkelflaute?, auf: next-kraftwerk.de. Abruf am 15. Januar 2019.

[4] Energiewende: Wind und Wasser decken erstmals Strombedarf der Privathaushalte, von Peter Vollmer, auf: Handelsblatt Online (handelsblatt.com) vom 03. Januar 2019. Abruf am 14. Januar 2019.

[5] Absurdität mit System in der deutschen Energiewende, von Christoph Eisenring, auf: Neue Zürcher Zeitung Online (nzz.ch) vom 13. Januar 2019. Abruf am 14. Januar 2019.

[6] Gaskraftwerke in Bau, auf: wikipedia.de. Abruf am 16. Januar 2019.

[7] Uniper Geschäftsbericht 2017, von Unipser SE, auf: Uniper Energy Online (uniper.energy.de). Abruf am 16. Januar 2019.

[8] Uniper wird neues Gaskraftwerk in Irsching bauen, von Uniper SE, auf: Uniper Energy Online (uniper.energy.de). Abruf am 17. Januar 2019.

[9] Strompreise für Verbraucher steigen - Börsen-Strompreise sinken auf Rekordtiefs, auf: Internationales Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) Online (iwr-institut.de). Abruf am 14. Januar 2019.

[10] Neues Gaskraftwerk in Irsching, von Horst Richter, auf: Donau Kurier Online (donaukurier.de) vom 09. Januar 2019. Abruf am 14. Januar 2019.

[11] Das neue Strommarktgesetz, auf: derenergieblog.de. Abruf am 14. Januar 2019.

[12] Hasler übt scharfe Kritik an Irsching 6: "Investitionsruine", auf: Zeitschrift für kommunale Wirtschaft (zfk.de) vom 10. Januar 2019. Abruf am 14. Januar 2019.


gefällt mir
1
 

Lesen sie jetzt